Carmen Sylva                             Morgengrauen

(Elisabeth,

Königin von Rümänien)                           Die Nacht! Da stirbt die große Nacht! Es bleichen

1843 – 1916                                                   Die Himmel, weiße Leichentücher decken

Die Welten, und mit düsterem Erschrecken

Erwacht das Schweigen, die Gedanken weichen.

 

Ich sah den Tag schon um die erde schleichen,

Zu Lug und Trug und Haß und Hunger wecken,

In sein Gewühl sein Nichtigsein verstecken;

Mit Grauen fühl’ ich ihn vorüberstreichen.

 

In jener Nacht, da sterbend auf dem Kissen,

Gebrochnen Auges, starr, mein Alles lag,

Die Brust voll glühnder Kohlen, schmerzzerrissen

 

Weiß ich, warum ich fragte: Welches mag

Die Stunde sein? – Ich starb und wollte wissen,

Ob tot die Welt? – „Soeben graut der Tag!“